Der Frechdachs und seine Geschichte

1950 wurde beschlossen das 60 jährige Bestehen des Pädagogiums im darauffolgenden Jahr mit einem großen Fest zu feiern und dazu alle ehemaligen Schüler, die die Schule seit ihrer Gründung besucht haben, einzuladen. Die Idee dazu hatte Erich Camin, ein Rhotertianer, der bei der Schulleitung anfragte ob so ein Fest nicht stattfinden solle, nachdem eine Feier zum 50 jährigen Jubiläum bedingt durch den Krieg unmöglich gemacht wurde. Der Vorschlag fand breite Zustimmung. Am 24.05.1950 fand bereits die erste Besprechung statt. Beteiligt waren der damalige Direktor Dr. Keller, alle drei Ehemaligenvereine der Schule, Rhotertianer,  Vereinigung alter Härtelianer, die Absolvia, sowie der damalige Bürgermeister Heise, gleichzeitig Rhotertianer.

Um die Verbundenheit mit der Schule zum Ausdruck zu bringen machte Theo Wurm den Vorschlag der Stadt, als „unsere zweite Heimat“ ein Geschenk in Form eines Denkmals zu machen. Während die Absolvia am Anfang der Planungen noch die von der Schule gewünschten Musikinstrumente zum Neuaufbau eines Schulorchesters stiften wollte. Auch ein Ausbau der Schützenzelte oder ein eigenes Absolviaheim wurde in Erwägung gezogen. In den nächsten Monaten gewann der Vorschlag der VAH unter Theo Wurm als treibende Kraft, an Gestalt. Mitte Oktober wurde an alle Mitglieder der Vereine zusammen mit einem Rundschreiben eine Postkarte mit einem ersten Entwurf des Denkmals, welches auf dem Platz vor dem Schultor aufgestellt werden soll, gesandt. Der Entwurf wurde vom Breslauer Künstler Max Kieselbach aus Göttingen gezeichnet, welcher als Grafiker in Theo Wurms Firma Bohrßen + Co tätig war. (Bild links) Die Vorgaben zum Entwurf machte Theo Wurm. Inspiriert wurde dieser dabei von einer bereits bestehenden Figur auf dem Gelände der damaligen Schuhfabrik Mälich in Northeim (Heute zu finden in Northeim-Sudheim, vor dem Gebäude der Sparkasse). Dieses Denkmal eines Schusterjungen mit einem Schuh in der Hand hatte etwa die gleiche Größe und eine ähnliche Form.

Quelle: Meinshausen, Jürgen

Quelle: Meinshausen, Jürgen

Die Reaktionen darauf fielen unterschiedlich aus. Viele Mitglieder sprachen Anerkennung und rückhaltlose Begeisterung zum Ausdruck, einige andere, vor allem junge Absolvianer, unterstellten Großspurigkeit und sparten nicht mit Kritik, es sei momentan nicht opportun, Denkmäler zur Verschönerung bauen zu lassen. Von den beigelegten Antwortkarten wurden 100 zurückgeschickt. Dabei sprachen sich 74 für und 18 gegen die Aufstellung eines Denkmals aus aber aufgrund des Eindrucks der Raumnot der vergangenen Jahre 84 für und 10 gegen einen Ausbau der Zelte. Auch eine Besprechung am Tag vor Weihnachten mit 15 Absolvianern zeigte ein ähnliches Meinungsbild. Zum nächsten Treffen zur Planung des Jubiläums am 29.12. präsentierten Theo Wurm eine Summe von 600 DM aus dem Kreis der VAH, die bis jetzt schon zugesagt wurde, sowie Erich Camin etwa 500 DM von Sachsaer Bürgern, die selbst Schüler des Pädagogiums waren. Hermann Ertel berichtete, dass die Absolvia nunmehr den Bau eines eigenen Gebäudes verfolgen würde, für das nächste Pfingstfest aber einmalig Geld zu einer provisorischen Instandsetzung der Schützenzelte aufbringen und der Schule selbst ein Geschenk machen werde. Den Rest des Geldes, sowie den bereits zugesagte Sockel von Achim Beyermann, wolle man für das Denkmal zur Verfügung stellen. Unter diesem Eindruck betrieb Theo Wurm die Aufstellung eines Denkmals als eine Angelegenheit der VAH. Ende Januar besichtigte Theo Wurm mit einigen Interessierten Herren und einem Architekten den Platz von dem Haupttor, wo das Denkmal aufgestellt werden sollte. Auch hatte er bereits ein Modell anfertigen lassen und mitgebracht. Bei einer anschließenden Besprechung im Schützenhaus mit den eingeladenen Vertretern der drei Vereine, Direktor Keller, sowie Bürgermeister Heise wurde beschlossen, dass die Figur nun mit ein paar kleinen Änderungen bestellt werden solle. Beeindruckt von der Tatsache, dass Theo Wurm das Denkmal aus eigenen Mitteln zunächst komplett vorfinanzieren wollte, konnte sich Hermann Ertel einer Mitwirkung der Absolvia nicht enthalten und sagte, die bereits für das Denkmal eingegangenen Spenden in Höhe von 350 DM zu. Durch weitere noch nachträglich eingegangene und überwiegend positive Äußerungen zur Aufstellung eines Denkmals, hatte Ertel nun keine Bedenken mehr die eventuell folgenden Vorwürfe auf sich zu nehmen.

Theo Wurm hatte bereits im Vorfeld die Figur, welche vom Bildhauer Edwin Epler aus Göttingen erstellt wurde, fest bestellt. Auch die Verhandlungen zur Überlassung und Instandsetzung des Platzes vor dem Haupttor liefen in der Ratsherrensitzung am 23. Februar, dank Unterstützung des Bürgermeisters Otto Heise problemlos.

Es war der alleinige Verdienst von Theo Wurm, dass die Schaffung des Denkmals überhaupt zustande kam. Die Absolvia nahm es als Gemeinschaftsleistung mit in Anspruch, was dieser milde duldete. Bemerkenswert war es, dass die VAH (wahrscheinlich inklusive der Rhotertianer) mit 80 Mitgliedern 1800 DM aufbrachte, die Absolvia mit 500 Mitliedern nur 338 DM sowie den von Achim Beyermann gespendeten Sockel.

Quelle: VAH Vereins-
Nachrichten 15.08.1951
S.5

Am 13.Mai 1951, Pfingstsonntag, wurde schließlich das fertige Denkmal um 11 Uhr enthüllt. In seiner Festrede führte Theo Wurm aus, dass es den alten Schülern eine innere Verpflichtung gewesen sei, ihrer Treue zum Päda und zur Stadt, sowie ihrer Verbundenheit zur aktiven Schülerschaft über Generationen hinaus eine Bedeutung zu geben, die bleibenden Eindruck vermittle. Man habe deshalb versucht, der Jugend und dem Geist der Schule ein Symbol zu schaffen, das Denkmal des Schülers; denn der Schüler und die Erziehung, die man ihm angedeihen lasse, um ihn zu einem aufrichtigen Menschen heranzubilden, seien das Ziel aller im Päda geleisteten Arbeit.

Dann übergab er das Denkmal in die Obhut von Schule und Stadt. Nach einem Schillerwort wurde das Denkmal von Horst Eck enthüllt, dessen Familie in 4. Generation die Schule besuchte. Dazu wurde eine Urkunde mit folgendem Inhalt überreicht:

Feierlich übergeben wir hiermit dem Pädagogium und der Stadt Bad Sachsa das von den ehemaligen Schülern des Pädagogiums gestiftete Schülerdenkmal. Es soll ein Zeichen unserer Dankbarkeit gegenüber der Schule und der Stadt verbunden mit der Erinnerung an die Zeit, die wir hier selbst als Schüler verbracht haben, sein. Wir übergeben es der Stadt daher mit dem Wunsch, das Denkmal und seinen Platz stets in einem würdigen, gepflegten Zustand zu erhalten. Veränderungen dürfen nur mit der Genehmigung des Bildhauermeisters Edwin Epler, Göttingen, und unserer Zustimmung vorgenommen werden. Wir hoffen mit der Aufstellung des Schülerdenkmals dem Pädagogium und der Stadt Bad Sachsa einen wertvollen Schmuck gegeben zu haben.

Im Auftrage der Rhotertianer                                                            Im Auftrage der VAH
        gez. Erich Camin                                                                           gez. Theo Wurm

Im Auftrage der Absolvia
gez. Dr. Hermann Ertel

Bad Sachsa, den 12.Mai 1951

Quelle: Absolvia Rundschreiben 38 S. 33

Den Dank der Stadt übermittelte Dr. Clever in Vertretung des Bürgermeisters, welcher im Namen der Stadt versprach das Denkmal für alle Zeit pflegen zu wollen. Direktor Keller dankte im Namen der Schule und ihrer Schüler. Mit Glückwünschen an Frau Kuhlenkampff-Pauli zum Jubiläum ihrer Anstalt und den besten Wünschen für die Zukunft schlossen die o.g. Herren, ebenso wie Viktor Gartiser.

Bürgermeister Otto Heise konnte die Enthüllung nicht mehr miterleben, er starb am 14.05. an einem Herzinfarkt.

Vom gesamten Pfingsttreffen fanden sich Artikel in über 60 Zeitungen und 6-8 Illustrierten zum Teil mit einem Bild vom Denkmal. Außerdem wurden detailliert die Geschichte der Schule, die Bedeutung für Bad Sachsa sowie die Treue ihrer alten Schüler beschrieben. Auch dies ging auf die Initiative von Theo Wurm zurück, der dies durch seine hervorragenden Kontakte ermöglichte.

Etwa ein Jahr später wurde noch das Schild mit dem Festabzeichen aus Bronze angebracht, welches die Wappen der drei Vereinigungen zeigt. Auch wurde der Platz entsprechend bepflanzt und geschmückt.

Quelle: Der Spiegel 06.Mai 1959

Das der Frechdachs auch der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, ist der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“ zu verdanken, auf deren Titelseite dieser zum Thema „Zu neuen Schulen“ 1959 erschien.

Zum 20. Jahrestag der Errichtung erinnerte Theo Wurm, anlässlich des Stiftungsfestes der Absolvia, daran, dass die Stadt und die Schule mit der Übergabe  die Pflege des Denkmals und des Platzes übernommen haben. Gleichzeitig äußerte er die Hoffnung, dass der Frechdachs anlässlich des 50. Stiftungsfestes der Absolvia 1972 in neuem Glanz erstrahlen würde. Dies war ihm leider nicht vergönnt, da direkt danach gegenüber dem Pädagogium ein neues Hotel (Kurhotel Bad Sachsa) errichtet wurde. Die Baufirma verschalte das Denkmal vorsichtshalber, damit es keine Beschädigungen davontragen würde.

All dies überstand er unbeschadet. Auch war er des Öfteren Opfer verschiedenster Streiche oder auch „Verkleidungen“, wie z.B. eine Gasmaske, einen BH, Umwicklung mit Klopapier. Mehrfach wurde der Frechdachs beschädigt, nachts von Unbekannten mit Farbe übergossen oder 1981 sogar vom seinem Sockel gestoßen. 1988 wurde er von übermütigen Abiturienten im Zuge der Abi Feiern bestiegen. Da die Platte mit der Figur nur lose auf dem Sockel stand, stürzte diese um und zerbrach in fünf Teile. Nach erfolgreicher Reparatur stand der Frechdachs ein halbes Jahr später wieder an seinem angestammten Platz, diesmal mit Stahl verstärkt sowie mit dem Sockel verbunden, um einem erneuten Sturz vorzubeugen.

Quelle: Sido Kruse

Anlässlich des 92. Stiftungsfestes der Absolvia an Pfingsten 2014 reifte die Idee den Frechdachs einer Sanierung zu unterziehen. Der Sturz von 1988 und die 63 Jahre bei Wind und Wetter hatten am Denkmal genagt.

Quelle: Sido Kruse

Am Pfingstsamstag beim Treffen unter der Linde wurden zusammen 3000 Euro gespendet, davon allein 1000 Euro vom Abi Jahrgang 2009, der den Rest seiner Abikasse zur Verfügung stellte. Am 01. August begannen die Abbauarbeiten, ausgeführt vom Steinmetz Krebs aus Walkenried.

Im November 2014 war es dann soweit, unser Frechdachs kommt frisch erholt und wie neu von seiner Kur zurück ans Päda und begrüßt nun wieder jeden Morgen die Schüler und Lehrer.

Stefan Bierwisch im November 2014

Quelle: Stefan Bierwisch

Quelle: Stefan Bierwisch